Ein paar von Euch haben sicherlich schon bemerkt, dass sich bei mir in den letzten Monaten einiges verändert hat. Jetzt möchte ich dies gern offiziell machen, da es auch meine fotografische Arbeit berührt und ich ein paar Entscheidungen diesbezüglich treffen musste.
Doch von vorn …
Ein Rückblick
Bereits das Jahr 2018 war für mich persönlich in vielen Bereichen kein gutes Jahr gewesen und dennoch war ich voller Tatendrang und Hoffnung, dass 2019 besser werden würde.
Hoffnung, dass zumindest in der Fotografie endlich ein großer, kreativer Schritt folgen kann. Ich hatte mir, wie viele sicher wissen, Ende 2018 den Traum vom eigenen Studio erfüllen wollen. Mehr Platz als in meinem Homestudio und damit auch endlich mehr Möglichkeiten zur Umsetzung vieler Ideen aus den letzten Jahren, teilweise noch aus meinen Anfangszeiten. Diese sprudelten in mir hoch und wollten endlich ausgelebt werden. Voller Tatendrang und Euphorie machte ich Testshootings, um ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie die Dinge in meinem Kopf real aussehen würden und entwickelte entsprechend Konzepte. Ich steckte ganze Nächte in die Bildbearbeitung, um neue Wege beschreiten zu können, sowie meinem kreativen ICH und dessen Ansprüchen gerecht zu werden. Von der vielen Zeit, die neu erworbenen Räume nutzbar zu machen, spreche ich gar nicht erst.
Doch 2019 zeigte mir deutlich, dass ich diesen Traum (aktuell) nicht ausleben kann. Ich stolperte auf einen Abgrund zu. 2018 waren es nur kleine Schritte, die ich langezeit ignorierte, denn der Rand schien noch so weit entfernt. Anfang diesen Jahres kam aber eben jener Rand bedrohlich nahe. Panik setzte ein. Das erste Mal erkannte ich, dass sich etwas in mir verändert hatte. Ich wollte gegensteuern und mich umdrehen. Doch es war zu spät! Der Boden unter meinen Füßen gab nach und ich stürzte direkt in die Tiefe. Ich hing fest. Immer wieder brökelte ab diesem Moment der Fels, an dem ich mich krampfhaft festzuklammern versuchte, wenn Dritte mit Achtlosigkeit, Unverständnis und auch Respektlosigkeit um sich warfen.
Dies riss mich immer tiefer in den Abgrund. So tief, dass ich in eine Dunkelheit eindrang, die kein Licht mehr zuließ, in der ich die Kamera als nutzlos betrachtete und sogar darüber nachdachte, sie loszulassen.
Wo kein Licht, da keine Fotos…
Der innere Kampf schien verloren
Ich war immer ein emphatischer und hilfsbereiter Mensch, der auf seine eigenen Bedürfnisse verzichten konnte, um für andere dazusein. Das fühlte sich auch immer richtig an und erfüllte mich mit Freude. Aber nun war es an der Zeit, dass ich selber um Hilfe rief, da ich nicht allein aus diesem Abgrund herauszukommen schien.
Also begann ich aus Selbstschutz immer öfter meine Sicht auf Dinge zu erzählen, meine Wünsche und Bedürfnisse mitzuteilen. Doch plötzlich stand ich Streitgesprächen gegenüber, die für mich vorher undenkbar waren. Und je mehr ich auch versuchte, meine Sichtweisen bei allem Verständnis für mein Gegenüber darzulegen, desto mehr eskalierten diese Situationen
So war die Welt also zu mir, wenn ich nicht funktionierte wie sie es gewohnt war?!? Wenn ich selber meine Bedürfnisse anmelden musste, anstatt ihren Anforderungen gerecht zu werden?
Meine Fassade aufrechtzuerhalten, wurde mit jedem Tag schwieriger. Die Konsequenz: Ich zog mich zurück. Ich ließ Konzerte und Shootings verstreichen, benötigte für das Fertigstellen von Veranstaltungen deutlich mehr Zeit, weil ich es kraftmäßig einfach nicht schaffte und zeigte immer weniger Präsenz in den sozialen Medien. Ein paar wenige Akkreditierungen nahm ich als Tritt in den eigenen Arsch, aber auch als Hoffnungsfunken wahr. Dabei spürte ich jedoch deutlich, wie sich mein Blick auf die Motive verändert hatte.
Meine Muse war fort.
Oft erwischte ich mich beim lieb- und lustlosen Knipsen a la
“Na ein oder zwei Dokufotos werden schon dabei sein.”
Außerdem hinterfragte ich immer wieder meinen fotografischen Aktionismus:
“Interessiert es denn wirklich, ob ich bei einer Veranstaltung bin, die Momente einfange, die mir wichtig sind und diese mit Band und Fans teile? Bin ich nicht da, übernimmt doch ein anderer meinen Part und die gewünschten Erinnerungsfotos entstehen so oder so. Der Konsument wird sein Bedürfnis nach Bildern gestillt bekommen, egal durch wen dies am Ende geschehen wird. Mein Blick jedenfalls scheint jederzeit austauschbar zu sein.”
Auch konnten die mir sonst immer Kraft gebenden Momente vor den Bühnen nicht mehr meine inneren Akkus füllen. Die Euphorie, die mich teilweise über mehrere Wochen begleitete und mit der ich so manche Herausforderung meistern konnte, verschwand zunehmens schneller. Ich gelangte an einen Punkt, an dem die Musik es nur noch schaffte, mir kurze euphorische Momente zu bescheren, die so schnell verflogen wie sie gekommen waren, oder sogar ganz ausblieben. Trotzdem zog es mich immer wieder zu jener geliebten Musik, auch wenn die Fotos für mich nur eine untergeordnete Rolle spielten und eher als “Ausrede” dienten vor Ort sein zu dürfen. Aber ich hatte Hoffnung.
Hoffnung, diesem Schwarz entfliehen zu können, auch wenn es nur für ein paar kurze Momente sein würde. Hauptsache weg von dieser Dunkelheit, die mich innerlich ausbrannte.
Ich war noch nie ein Mensch, dem es leicht fällt, offen auf Leute zuzugehen, zu smalltalken, ausgelassen zu feiern, oder mich so integriert und angenommen zu fühlen, dass ich ungefragt außerhalb der Bühne oder eines festgelegten Settings voller Selbstüberzeugung Menschen fotografieren könnte. Egal wieviele spannende Motive ich Backstage, im Publikum, bei Shootings oder auch im Bereich der Streetfotografie sah, Respekt und Unsicherheit waren und sind stets größer. Mich aufzudrängen oder in der Welt der anderen zu “stören” war nie ein Teil meiner fotografischen Arbeit.
Auch nach über 12 Jahren fühle ich mich noch immer am wohlsten, wenn ich beim Fotografieren einfach nur beobachten kann und niemanden in seiner Intimität störe oder gar belästige, obwohl genau diese Intimität es ist, die mir immer wieder die Motive gibt, die ich eigentlich festhalten will. Weil ich in ihnen etwas Besonderes sehe.
So ploppe ich stattdessen für kurze Augenblicke in die öffentliche, klar abgesteckte Lebenswelt anderer hinein und halte diese in Bildern fest, wohlwissend, dass ich dabei immer in meiner eigenen Parallelwelt gefangen sein werde und nie ein echter Teil von den Momenten sein werde, denen mein Herzblut gehört(e).
Mir ist bewusst, dass meine Gefühlswelt mir durch meine spezielle Sicht auf die reale Welt viele Türen verschlossen hält und sich damit auch viele Möglichkeiten vor mir verschließen. Trotzdem war ich zufrieden mit dem, was ich hatte. Denn ich war ein Mensch, der das Leben auf seine ganz eigene Art liebte, schätzte und auch lebte. Zufrieden, meinen kleinen unscheinbaren Beitrag im Großen und Ganzen zu leisten. Stolz auf mich selbst, auch wenn mein Einsatz und Herzblut hier und da keine Anerkennung oder Wertschätzung erhielten, oder leichtfertig mit meinen Bildern umgegangen wurde.
Doch auf einmal konnten mich Kleinigkeiten so reizen, dass Ohnmacht, Aggressionen und Wut zu meinem Alltag gehörten und ich in vielen Momenten nur noch das Negative sah. Ich entwickelte sogar Eifersucht, Neid und ja auch Missgunst gegenüber Fotografenkollegen, deren Arbeiten ich eigentlich schätzte.
Mein Herz wurde dunkel.
Ich erschrak vor mir selbst. Das lebensfrohe Glückskind war fort und in mir blieben nur Gefühlskälte und Lethargie zurück. Mir einzugestehen, dass ich den inneren Kampf verloren hatte, schien so unwirklich. Ich, die starke Kämpferin, die immer voller Energie war, Unmögliches möglich machte und nie aufgab. So lange konnte ich diese Fassade nun aufrecht erhalten. Doch jetzt musste ich erkennen, dass ich bereits zwei wichtige Persönlichkeiten meinerselbst verloren hatte und gerade im Begriff bin eine weitere zu verlieren.
Um mich herum habe ich in all der Dunkelheit nach und nach eine dicke Mauer errichtet, welche meinen inneren Brandherd vor den Blicken der Außenwelt bewahren sollte. Gleichzeitig gelanten dadurch aber kaum noch gut Gefühle nach Innen.
Hinter dieser Mauer liegt meine Welt nun in Trümmern. Eine Welt, die mich jahrelang davor geschützt hatte, in der realen Welt nicht zusammenzubrechen. Sie gab mir Interpretationsspielraum, malte das Alltagsgrau bunt aus, filterte so all die negativen Gedanken und Gefühle und ließ mich im kleinsten Detail etwas Gutes sehen.
Als die Flammen vor ein paar Monaten versiegt waren, starrte ich aus meiner dunklen, ausgebrannten Parallelwelt auf die reale Welt und fragte mich, wie es weitergehen soll. Funktioniert man in dieser Welt wirklich nur als extrovertierte Persönlichkeit? Gewinnt man nur noch mit Oberflächlichkeit und Egoismus? Ich fragte mich, wie und ob es mit rattenscharfe-photos.de weitergehen soll.
Ehrlich gesagt, weiß ich noch immer nicht so genau, warum das Schicksal mir diese Prüfung auferlegt hat.
Fakt ist aber, …
… dass ich nach 12 Jahren “Fotos für Künstler und Fans” in das Dreizehnte gehen werde und allenfalls “Fotos für mich” machen werde. Wohin mich das thematisch führen wird, wird sich zeigen.
… dass ich ein Einzelkämpfer bin und wohl auch bleibe. Den Fehler, mich auf andere Menschen zu verlassen, oder sogar Erwartungen an sie zu haben, ein Teil von etwas Großem zu sein, werde ich nach und nach korrigieren. Ich habe mich bereits von Menschen getrennt, die nur in guten Zeiten für mich da waren, in schlechten aber alles andere wichtiger fanden. Auch habe ich Zusammenarbeiten beendet, bei denen ich das Gefühl hatte, dass meine Arbeitsweise und meine Zurückhaltung auf Intoleranz und Unverständnis stießen und mir sogar zum Vorwurf gemacht wurden.
… dass für mich die Musik und damit ebenso die Konzertfotografie auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden. Aber ich werde dies in Zukunft anders angehen und umsetzen müssen. Gleiches gilt auch für den Comedybereich.
… dass für mich die Fotografie ein Ausdrucksmittel ist und ich mit dieser auf meine eigene Art künstlerische Kommunikation darstellen kann. Genau da möchte ich auch wieder hin.
Die Veränderung beginnt im Inneren
Ich erwarte von niemanden, dass er diese Zeilen versteht, oder mich gar bemitleidet. Ich habe lediglich erkennen und lernen müssen, dass meine Persönlichkeiten im Zusammenspiel mit unserer Gesellschaft ohne genug positiver Energiefindung als Ausgleich auf Dauer nicht funktionieren. Eine schmerzliche, zweieinhalbjährige Erfahrung und ich habe nun hoffentlich den Wendepunkt erreicht.
Ich bin es leid, mich immer wieder dafür entschuldigen und rechtfertigen zu müssen, dass ich bin wie ich bin. Wer mich in seinem Leben haben will, öffnet seine Tür und bittet mich hinein – für einen Abend nur, für ein Projekt oder für eine Freundschaft. Aber ich trete keine Türen ein, oder klopfe immer wieder an und bettel darum, wahrgenommen zu werden.
Ich muss und werde mich nicht mehr mit dem Druck beschäftigen, ob meine Fotos und deren Bearbeitung Model oder Künstler zusagen, ich in dessen Augen “alles richtig” gemacht habe und sie zufrieden sind. Nein, ICH möchte zufrieden sein mit den Ergebnissen. Und wenn diese zufällig noch anderen gefallen, dann freue ich mich noch mehr darüber. Aber ich habe mich für diese Aufmerksamkeit dann nicht mehr verbogen und vor allem mich nicht mehr selbst ignoriert …
Jetzt zählt für mich vorerst nur noch mein Seelenwohl!
“Wenn jeder an sich selbst denkt, ist an jedermann gedacht!”
Ob ich mit dieser Taktik zurück auf meinen Weg finde, weiß ich nicht. Ich weiß aber, dass ich die Gesellschaft und die Menschen um mich herum nicht ändern kann. Ich kann nur an mir und meinem Umgang damit arbeiten. So wie früher. Dazu benötige ich aber meine Welt zum Filtern. Diese wieder aufzubauen, wird ein langer und sicherlich schwieriger Weg.
Wer mir auf diesem Weg folgen will, oder gar weiterhin mit mir zusammenarbeiten möchte, weil er meine Qualitäten zu schätzen weiß, ist herzlich willkommen. Aber ich brauche keine Menschen mehr um mich herum, die mir mein introvertiertes Wesen zum Vorwurf machen! Die Ausreden finden, um keine Kraft investieren zu müssen, meinen Bitten und Hilfeschreien nachzukommen. Oder die meinen, dass man meine Gutherzigkeit und Hilfsbereitschaft ohne Gegenleistung ausnutzen kann.
Ich bin, wie ich bin und wer wirklich an dem Menschen hinter der Kamera interessiert ist, weiß in meinen Charaktereigenschaften und deren Schwächen durchaus das Positive zu schätzen. Wem die Fotos gefallen, der erfreut sich einfach daran, dass ich sie teile oder lässt sich selbst auf ein Shooting ein, ohne meine kreative Arbeit herabzuwürdigen oder zu missbilligen.
Mein neuer Grundsatz steht:
Ich werde keine Fotos mehr von DIR schießen, von denen ich denke, dass sie DIR gefallen könnten. Vielmehr werde ich gemeinsam mit Dir kreative Bildwerke erschaffen, die meinen Stil widerspiegeln! Und das wird alle Bereiche meiner Fotografie betreffen. Auf Veranstaltungen genauso wie bei Shootings. Wer sich auf mich einlässt, kennt meine fotografische Richtung und ist mit dieser auch zufrieden. Wenn nicht, bin ich einfach nicht die Richtige. Auch OK, denn ich bin mir bewusst, das nicht jeder Fotograf zu jedem Künstler/Model passt.
So – und wahrscheinlich nur so – werde ich den Weg aus diesem Abgrund finden und bald auch wieder genügend Licht um mich herum haben, um meine Muse davon zu überzeugen, dass die Fotografie für mich eine wichtige Ausdrucksform ist. Dann finden vielleicht auch all die verlorenen Persönlichkeiten meinerselbst ihren Weg zurück zu mir und meine Welt wird aus ihrem Trümmerberg in neuem Glanz erstrahlen.Wenn nicht, wird rattenscharfe-photos.de wie viele andere Fotowebsiten vor mir einfach im Nichts verschwinden.
Nichts in unserem Alltag ist selbstverständlich! Aber leider wird vieles für selbstverständlich hingenommen. Bis zu dem Tag, an dem es nicht mehr da ist. Dann wird dieser Verlust entweder schmerzen, gar nicht erst bemerkt werden, oder durch die nächstbeste Gelegenheit stillschweigend ersetzt.
In den letzten Wochen, während diese Zeilen reiften, ist zum Glück aber auch schon einiges passiert:
Positive Begegnungen und Momente, die mich ermutigten, den Kampf nicht aufzugeben und somit in meinem neuen Weg bestärkten. Ich danke an dieser Stelle all den Menschen, die bereits den ein oder anderen Stein aus der Mauer gebrochen haben, oder versuchten, das Trümmerchaos etwas zu sortieren, in dem sie für mich da waren. Bewusst oder unbewusst. Durch ihre Musik, emotionale Gespräche, ein offenes Ohr, die mich einfach in den Arm genommen haben, zu Shootings ermutigt haben oder mich in irgendeiner Form abgelenkt haben.
Alle Kraft für mein Herzblut
Der erste Schritt war Selbsterkenntnis. Mein eh schon extremes Emphatievermögen hat sich verschärft. Ich habe ein viel sensibleres Gespür, was um mich herum passiert und was dies mit mir macht. Jetzt gehe ich offener und ehrlicher mit mir selbst um. Ich bin nun endlich auch empathisch mir selbst gegenüber!
Nun muss ich nur noch einen Weg finden, dieser Welt klar zu machen, dass auch ICH Gefühle und Bedürfnisse habe, die mir wichtig sind! Parallel muss ich aber auch lernen, dass ich es nicht allen recht machen kann und vor allem auch nicht muss.
Lernen, mich nicht mehr vom Leistungsdruck verunsichern und einschüchtern zu lassen, dass unbedingt Material entstehen muss, das meinem Gegenüber gefällt und zufrieden stellt, oder dem meine Arbeitsweise zusagt.
Wer sich vor meine Kamera traut, sollte sich im Klaren sein, dass ich vielleicht anders bin, als er oder sie es gewohnt ist. Aber ich kann den Job nicht mehr leisten, mich an die Welt und die Gepflogenheiten der anderen anzupassen und meine Fassade nach deren Vorstellungen zu gestalten.
Ich brauche meine Muse und diese ist nur bei mir, wenn ich mich angenommen und sicher fühle, ohne Angst, ob mein Einsatz gelingen wird und es für jene, die ebenfalls die Fotos benötigen, nicht Zeitverschwendung war.
2020 wird es daher heißen: rattenscharfe-photos.de 2.0
Ich bin ein extrem introvertierter und emphatischer Mensch, der es nicht allen Menschen recht machen kann, aber zumindest einem:
Mir selbst!
2 thoughts on “rattenscharfe-photos 2.0 – Die Reise geht (vorerst) weiter …”
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